Interview mit Andreas Bauer von Hypos e.V.: Leipzigs Weg zur grünen Energie
In unserem Interview mit Andreas Bauer, dem Wasserstoff-Scout von Hypos e.V., sprachen wir über aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen in der Wasserstoffwirtschaft. Andreas Bauer gibt Einblicke in die Ziele und Aufgaben von Hypos, die Bedeutung von Kooperationen und Partnerschaften sowie die Rolle der Politik bei der Förderung dieser Zukunftstechnologie in der Region Leipzig. Für die IRL hat Greta Wenske dieses Interview geführt, um die Relevanz der Wasserstofftechnologie für unsere Region zu beleuchten und zu zeigen, wie Unternehmen von dieser Entwicklung profitieren können. Andreas Bauer ist ein zentraler Ansprechpartner für Unternehmen, die auf grüne Energie umstellen wollen und die Chancen und Vorteile der Wasserstoffwirtschaft nutzen möchten.
GW: Was sind die Hauptziele und die Mission von Hypos? Was sind Ihre Hauptaufgaben?
AB: Grundsätzlich sind die aktuellen Ziele und Aufgaben von Hypos und dem Wasserstoff Scout ähnlich gelagert. Zuvor hat Hypos in den letzten 10 Jahren daran gearbeitet die Grundlagen zu schaffen, um den Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft zu unterstützen. Dies umfasste viel Forschungsarbeit, mit etwa 45 Millionen Euro an Fördergeldern wurden 34 Forschungs- und Entwicklungsprojekte initiiert und begleitet. Das gewonnene Wissen war die Grundlage, um Umsetzungsprojekte in die Realität zu bringen. Ein gutes Beispiel dafür ist das Projekt in Bad Lauchstädt.
Seit gut einem Jahr verlagert sich der Schwerpunkt hin zu konkreten Anwendungsprojekten. Ein Ergebnis ist das Projekt „Wasserstoff Scout“. Dieses wurde zusammen mit der Stadt Leipzig erarbeitet, um die Unternehmen in Leipzig bei der Defossilisierung mittels grünen Wasserstoffs zu unterstützen und zu beraten.
GW: Was macht Mitteldeutschland in Bezug auf Wasserstoff im Vergleich zu anderen Regionen in Deutschland einzigartig?
In der Region gibt es bereits viel Erfahrung mit Wasserstoff als Rohstoff in der chemischen Industrie und eine etwa 100 Kilometer lange Pipeline von Bitterfeld nach Leuna zu einem der größten Abnehmer von Wasserstoff in Deutschland. Mit dem Bau des Kernnetzes wird die Region Leipzig ab 2027 voraussichtlich eine der ersten sein, die über eine Pipeline mit grünem Wasserstoff versorgt wird. Diese Infrastruktur und das vorhandene Wissen verschaffen uns einen bedeutenden Vorteil.
GW: Wie sieht Ihr beruflicher Alltag aus?
AB: Das Projekt "Wasserstoff Scout" wurde im März gestartet, und die ersten Wochen dienten hauptsächlich dem Aufbau und der Bekanntmachung des Projekts. Unsere Hauptaufgabe ist es, Unternehmen bei der Einführung von Wasserstoffprojekten zu unterstützen. Wir haben mit der Stadt Leipzig Arbeitspakete und Ziele definiert, um unsere Beratungsleistungen gezielt zu platzieren. Am 5. September wird es im BMW Werk Leipzig einen Business Dialog geben, bei dem wir Unternehmen über den aktuellen Stand der Wasserstoffwirtschaft, Infrastrukturausbau, Bezugsquellen für grünen Wasserstoff, Preisentwicklungen und Fördermöglichkeiten informieren.
Ein Schwerpunkt unserer Arbeit ist es, mittelständische Unternehmen in Leipzig, die bisher wenig Berührungspunkte mit Wasserstoff hatten, abzuholen und ihnen die Möglichkeiten und Vorteile zu erklären. Wir möchten ein breites Bewusstsein schaffen und praktische Unterstützung bieten, indem wir sowohl Informationen vermitteln als auch aktiv Feedback und Bedürfnisse aus der Wirtschaft aufnehmen.
GW: Welche aktuellen Trends und Entwicklungen sehen Sie in der Wasserstoffwirtschaft, die besonders relevant für die Region Leipzig sind?
AB: Es gibt zwei Hauptanwendungen für grünen Wasserstoff, die für die Region Leipzig besonders relevant sind: auf die benötigten Mengen bezogen zuallererst als Rohstoff in der chemischen Industrie, darüber hinaus aber auch zur energetischen Verwendung für Mobilität, zur Erzeugung von Prozesswärme, und als Speichermedium für erneuerbare Energien.
In der chemischen Industrie der Region wird Wasserstoff bereits als wichtiger Rohstoff genutzt, und der Umstieg auf grünen Wasserstoff ist der einzige Weg diesen Industriezweig zu defossilisieren.
Die energetische Verwendung von Wasserstoff bietet ebenfalls zahlreiche Möglichkeiten. In der Mobilität wird Wasserstoff da eine anteilige Rolle spielen wo das Konzept Batterie den elektrischen Fahrzeugen überlegen ist, hierbei insbesondere für Lastkraftwagen, Busse oder kommunale Entsorgungsfahrzeuge.
Durch die Speicherung von überschüssigem Strom aus Wind- und Solaranlagen in Form von Wasserstoff können wir eine kontinuierliche Energieversorgung sicherstellen. Dies ist besonders wichtig, um für Dunkelflauten gewappnet zu sein, d.h. für Zeiträume, wenn die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht. So können wir die Versorgungssicherheit erhöhen und die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen reduzieren.
Die Herausforderung besteht darin, diese Anwendungen technisch und finanziell sinnvoll in die Praxis umzusetzen. Dafür sind Investitionen in Infrastruktur, wie Pipelines und Tankstellen, sowie weiterhin in Forschung und Entwicklung notwendig. Gleichzeitig müssen wir Geschäftsmodelle entwickeln, die den Einsatz von grünem Wasserstoff wirtschaftlich attraktiv machen.
Wir bei Hypos arbeiten daran, diese vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten in Unternehmen zu bringen und sie bei der Umsetzung zu unterstützen.
GW: Wie hat sich die Wasserstoffwirtschaft sich in den letzten 5 Jahren entwickelt? Was erwarten Sie für die kommenden Jahre?
AB: Wir befinden uns am Beginn der Übergangsphase von einzelnen Versuchs- oder Pilotprojekten hin zur industriellen bzw. marktwirtschaftlichen Anwendung, also im Markthochlauf. In den Jahren 2021 und 2022 erlebte das Thema sogar einen regelrechten Hype, insbesondere an den Börsen. Zahlreiche Unternehmen versuchen sich am Markt zu etablieren und durchzusetzen. Mittlerweile geht es nicht mehr nur um Pilotprojekte, sondern um die tatsächliche Verteilung von Wasserstoff aus Importen oder Elektrolyseanlagen über ein europäisches Pipelinenetz. Hierfür wurde durch HYPOS, Metropolregion Mitteldeutschland, Infracon und die DBI-Gruppe aufbauend auf das Kernnetz für Mitteldeutschland bereits zum zweiten Mal eine Verteilnetzstudie durchgeführt die einen konkreten Netzplan, ausgelegt auf gemeldete Bedarfe liefert.
Ein weiteres herausragendes Beispiel ist das BMW-Werk Leipzig, das bereits Wasserstoff in der in der Intralogistik der Serienproduktion einsetzt. Derzeit wird der Wasserstoff noch per LKW angeliefert, eine Pipelineanbindung ist jedoch dringend erforderlich, um auch die Trocknung in der Lackiererei wie geplant mit grünem Wasserstoff zu betreiben. Dies zeigt, dass die Entwicklung konkret und greifbar wird. In den nächsten 5 bis 10 Jahren erwarten wir den Aufbau neuer Elektrolyse-Standorte und eine zunehmende Vernetzung über Pipelines. Natürlich gibt es noch Herausforderungen wie komplexe Genehmigungsverfahren und notwendige Gesetzesänderungen, aber ich bin überzeugt, dass diese Schritt für Schritt gelöst werden.
Wie bei vielen neuen Technologien gibt es anfangs Schwierigkeiten und Stolpersteine, aber mit zunehmender Erfahrung werden wir diese aus dem Weg räumen. Es ist ein schrittweiser Prozess, aber wir machen kontinuierlich Fortschritte.
GW: Welche Lösung oder Ansätze verfolgt Hypos, um die aktuellen Herausforderungen zu meistern?
AB: Eine konkrete Aufgabe des Wasserstoff Scouts ist zum Beispiel die Erstellung eines anwendungsorientierten Genehmigungsleitfadens. In verschiedenen Bundesländern gibt es bereits Leitfäden, die jedoch oft sehr umfangreich und schlecht handhabbar sind. Unser Ziel ist es, einen benutzerfreundlichen Leitfaden für Leipzig und Sachsen zu entwickeln, der Unternehmen einen schnellen Überblick bietet.
Dieser Leitfaden soll klare und verständliche Informationen über notwendige Handlungsschritte, konkrete Ansprechpartner und Behörden sowie relevante Gesetze und Verordnungen enthalten, im Prinzip eine Schritt-für-Schritt-Anleitung für Genehmigungsverfahren. So möchten wir die Hürden für Unternehmen senken und ihnen den Einstieg in Wasserstoffprojekte erleichtern. Indem wir den Genehmigungsprozess transparenter und zugänglicher gestalten, hoffen wir, mehr Unternehmen für die Wasserstoffwirtschaft zu gewinnen und die Entwicklung in der Region voranzutreiben.
GW: Wie wichtig sind aus ihrer Perspektive Kooperation und Partnerschaften für den Erfolg der Wasserstoffwirtschaft?
AB: Kooperationen und Partnerschaften sind aus meiner Sicht absolut essenziell für den Erfolg der Wasserstoffwirtschaft. In vielen Bereichen arbeiten verschiedene Vereine, Verbände und Unternehmen an ähnlichen Zielen. Durch Vernetzung und Abstimmung können wir voneinander lernen und Synergien nutzen. Besonders wichtig ist es, dass Unternehmen, die bereits Erfahrungen gesammelt haben, ihr Wissen teilen, um eine gleichzeitige und harmonische Entwicklung zu gewährleisten.
HYPOS spielt dabei eine wichtige Rolle, indem wir eine breite Basis von Unternehmen und Stakeholdern zusammenbringen, die in verschiedenster Form Berührungspunkte mit der Wasserstoffwirtschaft haben. Unsere Aufgabe ist es, diese Akteure zu informieren, zu involvieren und den Austausch zu fördern.
Ein gutes Beispiel für erfolgreiche Partnerschaften ist wieder der Energiepark Bad Lauchstädt, welcher durch die Zusammenarbeit verschiedener Akteure realisiert wurde. Auch die Verteilnetzstudie, die mit hoher Detaillierung geplant und vorbereitet wird, zeigt, wie wichtig solche Kooperationen sind. Dieses Projekt ist in der Größe deutschlandweit einzigartig und ein wichtiger Schritt, um den Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft effektiv voranzutreiben – quasi ein Leuchtturmprojekt.
Solche Partnerschaften sind entscheidend, um in den nächsten 10 bis 20 Jahren eine funktionierende Basis für die Wasserstoffwirtschaft zu schaffen. Sie ermöglichen es uns, gemeinsam Herausforderungen zu meistern und die Entwicklung effizient voranzutreiben.
GW: Welche Rolle spielt denn die Politik in der Förderung und Regulierung der Wasserstoffwirtschaft aus ihrer Perspektive?
AB: Die Politik spielt eine zentrale Rolle bei der Förderung und Regulierung der Wasserstoffwirtschaft. Eine der wichtigsten Aufgaben ist es, langfristige Verlässlichkeit zu schaffen. Pläne, Gesetze und Fördermöglichkeiten müssen für die nächsten 10 bis 15 Jahre Bestand haben, um Unternehmen und Investoren Planungssicherheit zu geben.
Bei der Bearbeitung von Projekten zeigen sich immer wieder neue Handlungsbedarfe für den Gesetzgeber. Ein konkretes Beispiel für notwendige Gesetzesänderungen ist der Transport von Wasserstoff. Derzeit darf Wasserstoff als Gefahrgut nicht mit batterie- oder wasserstoffbetriebenen LKW transportiert werden. Diese Regelung ist kontraproduktiv und verhindert den Einsatz umweltfreundlicher Verkehrsmittel. Dies wurde erkannt und u.a. der Deutsche Wasserstoff-Verband setzt sich bereits für eine Änderung dieser Regelung ein.
Darüber hinaus müssen Genehmigungsverfahren vereinfacht und beschleunigt werden, damit Projekte schneller umgesetzt werden können. Die Politik muss durch schnelles und gezieltes Handeln bestehende Hemmnisse abbauen und die Entwicklung der Wasserstoffwirtschaft aktiv unterstützen.
GW: Welche Bedeutung hat aus Ihrer Sicht die Arbeit der Invest Region Leipzig für die Entwicklung der Wasserstoffwirtschaft in unserer Region?
AB: Die Invest Region Leipzig spielt eine wichtige Rolle bei der Vermittlung von Unternehmenskontakten und der Erleichterung des wirtschaftlichen Zugangs zu Leipzig. Die Zusammenarbeit ist sehr wichtig, um den Standortvorteil Leipzigs zu nutzen und die Entwicklung der Wasserstoffwirtschaft voranzutreiben. Die Zusammenarbeit mit Christiane Zurl von der Invest Region Leipzig hat bereits Synergien ergeben und wird helfen Projekte voranzubringen. Im Juni waren wir gemeinsam auf der EES in München und im Rahmen von Beratungen von Unternehmen durch die Invest Region Leipzig für eine Ansiedlung in Leipzig, konnten allen Seiten neue interessante Kontakte vermittelt werden.
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Mit einer klaren Vision, engagierten Partnerschaften und der notwendigen politischen Unterstützung kann die Region Leipzig eine Vorreiterrolle im Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft einnehmen. Hypos e.V. und der Wasserstoff Scout Andreas Bauer tragen entscheidend dazu bei, die Entwicklung voranzutreiben und die Wasserstoffwirtschaft nachhaltig zu etablieren. Wir danken Herrn Bauer für das Gespräch!